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Musik aus Luthers Zeiten

Auftritt vom 26.02.2017 bei der 7. Nikolai-Promenade in der Nikolai-Kirche, Oldenburg

Ausführende:
Sophie Beutelmann, Anne Bredemeier, Meike Bruns, Corinna Kistner, Sandra Schütte

Ductia 2017.02

Vom Gregorianischen Hymnus zum evangelischen Choral
Anonym, 14. Jh. Ductia
Gregorianisch Veni, redemptor gentium
Erasmus Widmann, 1572 - 1634 Nun komb der Heyden Heyland
Gregorianisch A solis ortus cardine
Erasmus Widmann, 1572 - 1634 Christum wir sollen loben schon
Heinrich Isaac, um 1450 - 1517 Carmen
Gregorianisch Da pacem, Domine
Erasmus Widmann, 1572 - 1634 Verleyh uns Frieden gnediglich
Gregorianisch Veni Creator Spiritus
Sethus Calvisius, 1556 - 1615 Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist
Vom weltlichen Lied zum evangelischen Choral
Johann Staden, 1606 Gagliarda Nr. 37
Mönch von Salzburg, um 1350 - nach 1400 Der tischsegen
Arnold von Bruck, um 1490 - 1554 Vater unser im Himmelreich
Heinrich Isaac, um 1450 - 1517 Innsbrucklied
Bartholomäus Gesius, 1562 - 1613 O Welt, ich muß dich lassen
Heinrich Finck, um 1445 - 1527 Carmen
Hans-Leo Hassler, 1564 - 1612 Mein Gmüt ist mir verwirret
Johann Crüger, 1598 - 1662 O Haupt voll Blut und Wunden
Anonym, 16. Jh. Weiß mir ein Blümlein blaue
Hans-Leo Hassler, 1564 - 1612 Nun Lob, mein Seel, den Herren

Der Kirchengesang bei Martin Luther

Mit den Texten und Kompositionen Martin Luthers ist der deutsche Kirchengesang in ein neues Stadium getreten. Das Singen war eine der vorzüglichsten Waffen der Reformation. Der Gesang im Gottesdienst bezog die gesamte Gemeinde, nicht nur Pfarrer und Chor, in die Liturgie ein. Es ging nicht um Musik an sich und auch nicht um einen musikalischen Ausdruck des religiösen Gefühls, sondern um die religiöse Hinwendung selbst; und so waren Orgelklang und Chorgesang keine Bestandteile des Gottesdienstes mehr, sondern sein Kern. Luther nahm ein- und mehrstimmige, gesungene und gespielte Musik, neue Kompositionen und Kontrafakta, also mit neuem Text unterlegte geistliche und weltliche Lieder, in den Gottesdienst auf. Er hat das religiöse Denken von reglementierten Äußerlichkeiten losgelöst und konnte somit jede Art von Musik adaptieren, sofern sie zum Ziel der Glaubenserneuerung, Glaubensfestigung und Stärkung der Gemeinschaftlichkeit führte. Die neuen Choräle trugen überdies zur Identifikation der Protestanten mit der neuen Konfession bei und dienten so der Abgrenzung zum Alten. Wie heute die Protestlieder bei Demonstrationen und Kundgebungen wurden Lieder wie „Ein feste Burg ist unser Gott“ sogar dazu benutzt, die Gottesdienste der „Altgläubigen“ nieder zu singen.

Luther selbst verfasste 36 Liedtexte, von denen er mindestens 20 mit selbst komponierten Melodien versah. Dazu kamen noch Weisen für fremde Texte. Wir richten unser Haupt-Augenmerk in diesem Programm auf die Kontrafakta und stellen im ersten Teil gregorianische und im zweiten Teil weltliche Vorlagen den geistlichen Chorälen direkt gegenüber. Es ist dabei interessant, zu beobachten, wie die Stimmung der weltlichen Vorlagen durch die geistliche Bearbeitung aufgenommen und verstärkt wird.

Komplettieren möchten wir dieses Bild des Musiklebens der Luther-Zeit mit einigen Instrumentalsätzen wie Heinrich Isaacs und Heinrich Fincks „Carmina“ (einer Vorstufe der Canzone, wie wir sie etwas später z. B. bei Gabrieli finden) und die höfische Galliarde von Johann Staden.

Der Bamberger Heinrich Finck und der Flame Heinrich Isaac waren mit vielen anderen bekannten Zeitgenossen bei der 1498 gegründeten Hofkapelle des Habsburger Kaisers Maximilian I. angestellt. Hier erhielten sie nicht nur eine grundlegende musikalische Förderung, sondern erreichten auch durch die Reisen im Gefolge des Kaisers einen großen Bekanntheitsgrad.

Einige Choralbearbeitungen führen uns ins beginnende 17. Jahrhundert:

Der Organist Hans-Leo Hassler wanderte 1584 als einer der ersten deutschen Musiker nach Venedig, wo er sich von Andrea Gabrieli im venezianischen Stil unterrichten ließ. Nach einem Jahr kehrte er zurück nach Nürnberg und wurde bei Graf Octavianus Secundus Fugger Kammerorganist und Domorganist. Ein bemerkenswertes Schicksal erfuhr sein fünfstimmiges Liebeslied „Mein Gmüt ist mir verwirret“, dessen Melodie von Johann Crüger für das Passionslied „O Haupt voll Blut und Wunden“ übernommen wurde.

Erasmus Widmann wurde zu Beginn des Jahres 1602 als Präzeptor und Organist vom Grafen Wolfgang von Hohenlohe an die gräfliche Lateinschule nach Weikersheim berufen. Sein Weikersheimer Gesangbuch, aus dem auch die Choralsätze aus dem ersten Programmteil stammen, ist ein Beleg dafür, dass an eine Beteiligung der Gemeinde am mehrstimmigen Gesang gedacht wurde.

Sethus Calvisius erhielt 1594 die ehrenvolle Stellung des Kantors an der Thomasschule und Musikdirektors der Hauptkirchen Leipzigs. Der Stil seiner Kompositionen ist konservativ, aber auf schönen Chorklang gerichtet.

Der Nürnberger Organist Johann Staden gilt als Begründer der sogenannten „Nürnberger Schule“ und wurde bereits zu Lebzeiten überaus geschätzt. So lud ihn z. B. der Markgraf Christian in Jahre 1619 nach Bayreuth ein, wo er anlässlich einer Orgelweihe zusammen mit Michael Praetorius, Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein konzertierte.