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England & Spanien

Konzert vom 28.03.2009 um 20 Uhr im Alten Kurhaus, Bad Zwischenahn

Ausführende:
Anne Bredemeier, Meike Bruns, Corinna Kistner, Sandra Schütte, Christiane Thiemt, Dr. Christian Andrae

Ductia 2009.03

Anonym, 13. Jh. Ductia
Christopher Tye, ca. 1500 - 1573 In Nomine "Crye"
William Byrd, ca. 1540 - 1623 Lord Willobie's Welcome Home
Valentin Haußmann, ca. 1540 - 1614 Fuga Secunda
Christopher Tye, ca. 1500 - 1573 In Nomine I
Josquin d'Ascanio (des Prés), ca. 1440 - 1521 In te, Domine, speravi
Cançionero de Palazio, 15./16. Jh. Ay, Santa Maria
Lionel Power, ca. 1375 - 1445 Beata progenies
Anonym, 13. Jh. Beata viscera
Llibre Vermell, 14. Jh. Mariam matrem virginem
Polorum Regina
Stella splendens
John Dowland, 1562 - 1626 Semper Dowland semper dolens
Can she excuse my wrongs
The Earl of Essex Galiard
Thinkst thou then by thy feigning
Lachrymae Antiquae
If my complaints
Captaine Digorie Piper his Galiard
Lachrymae Tristes
Mr. Henry Noel his Galiard
Mr. Giles Hobies Galiard
Lachrymae Coactae
Away with these self-loving lads
Christopher Tye, ca. 1500 - 1573 In Nomine III

Christopher Tye war Chorleiter an der Kathedrale von Ely und vermutlich Musikmeister der Kinder Heinrichs VIII, also auch von Elisabeth I. Er nimmt einen wichtigen Platz in der englischen Kirchenmusik ein: durch die Auflösung der Klöster durch Heinrich VIII hatte die Musik in England einen schweren Schlag erlitten, der gerade durch Männer wie Tye wettgemacht wurde. So hat er den Kompositionstypus des “Anthems” geschaffen, der bis zu den elisabethanischen Kirchenmusikern maßgebend geblieben ist und in abgewandelter Form noch bei Händel zu finden ist.

Zu seinem umfangreichen Werk gehörte u. a. eine Vertonung der ersten 14 Kapitel der Apostelgeschichte, sowie die größte Anzahl von “In nomine”-Vertonungen seiner Zeit. Bei einem “In nomine” wird die gregorianische Melodie mit langen Notenwerten von einer Stimme gespielt, während die anderen Stimmen sie in freier Entfaltung umranken.

William Byrd kann als der hervorragendste Komponist der Zeit Shakespeares bezeichnet werden. Das Neue an Byrds Kompositionen war der völlig freie Instrumentalsatz und die Variation, die er meisterhaft handhabte.
Mit Ausnahme der Laute bereicherte er die Literatur jedes zeitgenössischen Instruments.

Mit “Lord Willobies Welcome Home” spielen wir eine Variation über eine Ballade, die die Heldentaten eines Mannes während der siegreichen Schlacht der englischen Flotte gegen die spanische Armada besingt.
Diese Ballade war so beliebt, dass sie sich in kürzester Zeit in ganz Europa verbreitet hat und so auch dem deutschen Komponisten Valentin Haussmann zu Ohren gekommen sein muss, der sie seinerseits in seiner Fuga Secunda verarbeitet hat.
Wir kennen die Melodie noch heute aus dem Evangelischen Gesangbuch, wo sie mit dem Text “Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich” Einzug gehalten hat.

Mit der Komposition “In te Domine, speravi” begeben wir uns nun nach Spanien, in die Zeit vor der Armada, denn dieses Werk des französischen Komponisten Josquin des Prés findet sich in der spanischen Liedersammlung “Cancionero musical de Palazio”, aus der auch das anschließende “Ay Santa Maria” eines anonymen Komponisten stammt.
Den Beinamen “d’Ascanio” erwarb sich des Prés durch die Anstellung beim Mailänder Kardinal Ascanio Sforza.
Der Überlieferung nach war der vordergründig geistliche Text “auf dich, Herr, habe ich gehofft” als eine Zahlungsaufforderung Josquins an den wohl etwas knauserigen Kardinal gedacht...

Von Lionel Power ist nur bekannt, dass er mit der Kathedrale von Canterbury in Verbindung stand.
Mit seinem “Beata progenies” und dem Stück “Beata viscera” eines anonymen Komponisten begeben wir uns auf eine mittelalterliche Reise, die uns von England nach Spanien führen wird.

Es ist ein seltener Fall, dass eine Liedersammlung so eindeutig in seinem Zweck gekennzeichnet ist, wie es im Llibre Vermell de Montserrat der Fall ist.  Dort heißt es im Vorwort:
“Da es vorkommt, dass die Pilger, die Nachtwache in der Kirche der Heiligen Maria in Montserrat halten, singen und tanzen wollen, und dies auch tagsüber auf dem Kirchplatz, und sie dort nur sittliche und andächtige Lieder singen dürfen, sind einige hier niedergeschrieben. Diese sollten mit Rücksicht und Mäßigung verwendet werden, ohne Störung für jene, die ihre Gebete und geistlichen Kontemplationen fortführen möchten.”

“Dowland muss immer traurig sein!”

Da wir uns in diesem zweiten Teil unseres Konzerts fast ausschließlich mit John Dowlands Musik beschäftigen, möchte ich an dieser Stelle ein klein wenig weiter ausholen und seine Lebensgeschichte kurz skizzieren:

John Dowland hat es sich wirklich nicht leicht gemacht:

Nachdem er die erhoffte Stelle als Hoflautenist Elisabeths I nicht erhalten hatte, trat er zur katholischen Konfession über. Dies bedeutete, dass er sich von Elisabeth I als Oberhaupt der anglikanischen Kirche lossagte, war also über die Glaubensentscheidung hinaus ein eindeutiger politischer Akt. Er kehrte seiner Heimat dem Rücken und zog nach Wolfenbüttel und Kassel, ging nach Rom, um Luca de Marenzio zu treffen und ließ sich in Florenz mit katholischen Emigranten ein, die ihn in ein Mordkomplott gegen die englische Königin einweihten. Dowland war entsetzt, ging nach Nürnberg, verließ die katholische Konfession wieder und verriet von dort aus die Verschwörer in einem Brief.
In England traf man daraufhin zwar entsprechende Vorkehrungen, ging aber wohl nicht ganz unzutreffender Weise davon aus, dass Dowland sich in erster Linie selbst reinwaschen wollte.
Bis 1606 wirkte Dowland als Hoflautenist des dänischen Königs Christian IV in Kopenhagen, wurde dort aber wegen Misshelligkeiten wieder entlassen.
Er ging zurück nach London und erhielt 1612 endlich die ersehnte Anstellung als Hoflautenist unter Elisabeths Nachfolger Jakob I.

Dowland muss zu den größten englischen Komponisten gezählt werden und hinterließ eine große Anzahl von vierstimmigen Liedern mit Lautenarrangement, Virginalstücke, Chöre mit Instrumentalbegleitung, Stück für ein oder zwei Lauten und für Gambenconsort.

Wir konzentrieren uns hier auf zwei Sammlungen: Lieder aus dem “First Booke of Songes or Ayres”, sowie Pavanen und Galliarden aus “Lachrymae or seven teares”.

Eine Anzahl der Lieder aus dem First Booke of Songes or Ayres finden sich auch als fünfstimmige Galliarden in der Lachrymae-Sammlung wieder. Die Titel weisen auf die höfische Tradition hin, hochgestellten Persönlichkeiten eine Art Erkennungsmelodie zuzueignen.

So wurde der Graf von Essex zum Beispiel mit einer Bearbeitung des zuvor gehörten Liedes begrüßt.

“Thinkst thou then by thy feigning” ist eigentlich ein Lied mit Lautenbegleitung. Wir finden aber, dass es wunderbar zu Krummhörnern passt, die auch spätestens mit Heinrich VIII in England bekannt waren.

Die “Pavane Lachrymae” ist, wie “Lord Willobies Welcome Home” aus dem ersten Teil unseres Konzerts, ein weiteres Beispiel für eine Melodie, die einen Siegeszug durch ganz Europa gehalten hat. Die Bearbeitung von Dowlands Lied “Flow my tears” findet sich u. a. bei Komponisten wie Byrd, Sweelinck und van Eyck wieder.

Bei den folgenden beiden Galliarden haben wir uns für zwei verschiedene Besetzungen entschieden, die zwar ursprünglich nicht dafür vorgesehen waren, aber dennoch sehr gut passen.

Zunächst spielen wir im Broken Consort, also mit einer Mischung aus verschiedenen Instrumentengruppen, hier Bläser und Streicher. Wie der Name schon andeutet, handelt es sich beim Broken Consort um eine Besetzungsvariante, die für die englische Musik typisch war.

“Mr. Giles Hobies Galiard” werden wir dann mit den tiefen Blockflöten von Tenor bis Subbass spielen.

Übrigens ist überliefert, dass Elisabeth I morgens 5 – 7 Galliarden als ermunternde körperliche Übung zu tanzen pflegte!

Das Lied aus dem First Booke of Songes or Ayres, das sich wohl am meisten von allen anderen unterscheidet, ist wohl “Away with these self-loving lads”. Während sich Dowland sonst eher schwermütigen Betrachtungen über die Schmerzen und Ungerechtigkeiten der Liebe hingibt, besingt er die Tücken des Liebeslebens hier auf geradezu beschwingte Weise.