
Anno Domini
Anne Bredemeier, Meike Bruns, Corinna Kistner,
Sandra Schütte, Christiane Thiemt
Anonym, 13. Jh. | Ductia |
Winter | |
Bernardino Lupacchino dal Vasto, ca. 1500 - 1555 | Bicinium |
Anonym, 14./15. Jh. | Ecce, quod natura |
Gilles Binchois, um 1400 - 1460 | Da pacem, Domine |
Tielmann Susato, Dansereye 1551 | Pavane "Mille Regretz" |
Wizlav III. Fürst von Rügen, 1265 - 1325 | Loibere risen |
Tielmann Susato | Basse Dance "Mon desir" |
Frühling | |
Walter von der Vogelweide, ca. 1170 - 1230 | Palästinalied |
Jacob Obrecht, ca. 1456 - 1505 | Tandernaken |
Neidhardt von Reuenthal, ca. 1180 - 1240 | Blozen wir den anger ligen sahen |
Tielmann Susato | Ronde "Il estoit une fillette" |
Mille regretz à 3 | |
Jacob Obrecht | Hélas mon bien |
Anonym, 12./14. Jh. | Alta trinita beata |
Sommer | |
Reading, um 1300 | Sommerkanon |
Glogauer Liederbuch, 1480 | Die Katzen Pfote |
Oswald von Wolkenstein, 1377 - 1445 | Ave mater o Maria |
Heinrich Isaac, um 1450 - 1517 | La Morra |
Glogauer Liederbuch | Al vol |
Tielmann Susato | Hoboeckentanz |
Bergerette "Dont vient cela" | |
Herbst | |
Johannes Ockeghem, ca. 1410 - 1497 | Fors seulement contre ce qu'ay promys |
Hayne van Ghizeghem, ca. 1440 - 1472 | De tous bien plane |
Josquin d'Ascanio (des Prés), ca. 1440 - 1521 | In te, Domine, speravi |
Llibre Vermell, 14. Jh. | Mariam matrem virginem |
Mit dem Tanz “Ductia” beginnen wir unser Konzert, das Sie auf eine Reise durch einen mittelalterlichen Jahreslauf mitnehmen möchte. Der erste Abschnitt widmet sich der Winterzeit: Das Leben im Mittelalter war stärker als heute von den kirchlichen Festen bestimmt. Deshalb beginnen wir unser Konzert mit der Adventszeit, dem Beginn des Kirchenjahres.
Winter
Advent und Weihnachten – für diese Zeit steht die das mittelalterliche Lied “Ecce quod natura”, das davon erzählt, wie die Natur ihre Gesetze geändert hat, damit die Jungfrau Maria einen Sohn gebären konnte.
Das neue Jahr beginnt, traditionell mit der Bitte um Frieden, hier zu hören im dreistimmigen “Da pacem, Domine” von Gilles Binchois, der zu den ersten Komponisten seiner Zeit gezählt wurde.
In die ersten Monate des Jahres passt auch die Stimmung der Pavane “Mille Regretz” von Tielmann Susato, die auf ein Chanson von Josquin des Prés zurückgeht, in dem ein junger Mann darüber klagt, dass seine Liebste ihn verlassen hat. Dieses wunderschöne Chanson hat den Menschen der Renaissance offenbar besonders gefallen, so wurde die Melodie in zahlreichen Liedvertonungen, Tänzen und Messen bearbeitet. Der Komponist Tielmann Susato ist vor allem durch seine Tätigkeit als Drucker und Verleger in Antwerpen bekannt geworden, aus seiner Tanzsammlung “Dansereye” werden wir heute noch einige Beispiele zu Gehör bringen.
In “Loibere risen” können wir hören, wie sich Wizlav, der letzte regierende Fürst von Rügen, am Ende eines langen Winters den Frühling herbeisehnt. Er ist traurig über die kahlen Bäume und die verschwundenen Blumen und sehnt sich nach der Maienzeit, in der er seiner Dame wieder den Hof machen kann.
Diese Sehnsucht greifen wir mit der Basse Dance “Mon Desir” (mein Verlangen) von Tielmann Susato noch einmal auf.
Frühling
Bevor wir uns den schönen Seiten des Frühlings zuwenden können, kommt die Passionszeit, die Zeit der Entsagung, des Fastens. Walter von der Vogelweide nimmt uns dazu mit auf eine Pilgerreise nach Jerusalem, wo er des Todes Jesu, aber auch seiner Auferstehung gedenkt.
Nach einem kurzen Ausflug nach Andernach am Rhein hören wir “Blozen wir den anger ligen sahen”, in dem ein Bauernmädchen sich darauf freut, sich mit ihrem Liebsten, ausgerechnet dem Ritter von Reuenthal (dem Verfasser und Komponisten dieses Liedes), zum Tanz zu treffen. Ihre Mutter bittet sie inständig, doch Vernunft anzunehmen und stattdessen mit dem Bauernjungen, der um sie wirbt, auszugehen. Die Tochter ist aber überzeugt von ihrer Wahl und sagt: “wenn ich einem Ritter gehören kann, was soll ich dann mit einem Bauern?”
Diese kleine Geschichte lassen wir in der Ronde “Il estoit une fillette” (Es war einst ein Mädchen) noch kurz nachklingen.
Es folgen zwei dreistimmige Liedbearbeitungen in sehr unterschiedlichen Besetzungen: “Mille Regretz” von Tielmann Susato, gespielt auf drei Kniefiedeln und “Hélas mon bien” von Jacob Obrecht, gespielt auf tiefen Blockflöten und Kortholt.
Mit der Laude “Alta trinita beata” sind wir beim Trinitatis-Fest
angekommen.
Der Sommer steht schon vor der Tür!
Sommer
“Der Sommer ist da!” Die ältesten Belege kanonartiger
Kompositionstechnik stammen aus dem England des 12. Jahrhunderts, so
auch der Sommerkanon aus dem Kloster Reading, der sowohl mit einem
weltlichen als auch mit einem geistlichen Text notiert worden ist.
Der weltliche Text schildert den Sommer, der mit Kuckucksrufen und
anderen Tierlauten ins Land zieht.
Passend zu diesem Bild spielen wir “die Katzenpfote”, ein rhythmisch
recht anspruchsvolles Instrumentalstück aus dem Glogauer Liederbuch.
Am 15. August wird das Fest Mariä Himmelfahrt gefeiert. Wir feiern dies mit dem Lied “Ave mater o Maria” des “letzten Minnesängers” Oswald von Wolkenstein.
“La morra” von Heinrich Isaac zeigt uns danach, wie sich die Menschen in Nordeuropa die Mauren vorgestellt haben. Dieses Lied wird den Menschen der Renaissance ähnlich fremd vorgekommen sein wie uns heute!
Rustikal geht es weiter mit dem Trinklied “Al vol” aus dem Glogauer Liederbuch – und in dieser Stimmung bleiben wir auch noch mit den darauf folgenden Tänzen von Tielmann Susato, denn damals wie heute ist der Sommer auch eine Zeit der Feste und Tänze.
Herbst
Die Tage werden kürzer, noch ist es warm, aber zusehends verlagert sich das Leben wieder in die Wohnstuben. Es ist wieder eine Zeit für intimere Musik, wie das dreistimmige “Fors seulement” von Johannes Ockeghem oder auch das Lied “De tous bien plane” in dem Hayne van Ghizeghem die Vorzüge einer äußerst tugendhaften Dame besingt.
Wir nähern uns dem Ende des Kirchenjahres:
Die Komposition “In te Domine speravi” des französischen Komponisten Josquin des Prés findet sich in der spanischen Liedersammlung “Cancionero Musical de Palazio”. Den Beinamen “d’Ascanio” erwarb sich des Prés durch die Anstellung beim Mailänder Kardinal Ascanio Sforza. Der Überlieferung nach war der vordergründig geistliche Text “auf dich, Herr, habe ich gehofft” als eine Zahlungsaufforderung Josquins an den wohl etwas knauserigen Kardinal gedacht...
Zum Schluss begeben wir uns auf eine Pilgerreise nach Montserrat in Spanien:
Dort haben die Mönche den Pilgern im “Llibre Vermell” eine Anzahl von Liedern zur Verfügung gestellt, die sie bei der Nachtwache und auch tagsüber auf dem Kirchplatz singen und tanzen dürfen, denn hier durften nur “sittliche und anständige” Lieder gesungen werden. Im Vorwort heißt es auch: “Diese sollten mit Rücksicht und Mäßigung verwendet werden, ohne Störung für jene, die ihre Gebete und geistlichen Kontemplationen fortführen möchten.”
“Mariam matrem virginem” bittet sowohl Maria als auch Jesus Christus um Beistand.